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FAQ
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Geschichtliches
Kustersbergs Vergangenheit
Die nationale Stimmung
Die Geburt der katholischen Mittelschulverbindung Kustersberg Bregenz
im Jahr 1907 erfolgte nicht nach biologischen Gesetzen, sondern aus einer
geistigen Empfängnis, aus dem Geist der Gemeinschaft gleich gesinnter
Studenten und aus dem Drang der jugendlichen Verteidigung gleicher Werte
und Weltanschauungen. Denn die waren in Gefahr.
Das Vaterland war noch eine große und mächtige Monarchie,
wenn es auch in ihrem alten, allmählich morsch werdenden Gebälk
schon bedenklich unter dem Ansturm der radikalen Nationalisten aller Volksteile
knirschte. Ganz böse schaute es auf Österreichs hohen Schulen
aus, auf denen der „Los von Rom“ brüllende nationale
Freisinn mit brutalem Terror herrschte und die katholischen Verbindungen
als klerikale Blasen beschimpfte, die kein Recht auf das Farbentragen
hätten, weil sie ultramontan gesinnt, also nach jenseits der Alpen
Richtung Vatikan gerichtet seien, und kein Recht auf den Schläger
besäßen, weil sie das Duell, also die Mensur ablehnten. Immer
wieder gab es blutige Auseinandersetzungen an Universitäten.
Dort waren die Korps, die Burschenschaften, kurz die schlagenden, liberalen
und radikalen, die alldeutsch, also antiösterreichisch und antikatholisch,
eingestellten Korporationen nicht nur in der Mehrheit der Zahl nach, sondern
erfreuten sich auch der offenen und versteckten Förderung seitens
willfähriger, gesinnungsverwandter Schulbehörden im Rektorat
und Ministerium. Ähnliches spielte sich an Österreichs Mittelschulen
ab. So auch am Bregenzer Gymnasium. Dieses war ein Kommunalgymnasium mit
einer nicht all zu großen Schülerzahl. Die Leitung der Schule
und die Bestellung der Professoren erfolgten unter Einflussnahme der Stadtvertretung.
Somit war die Geistesrichtung des Gymnasiums entsprechend der Geisteshaltung
der Mehrheit in der Bregenzer Stadtvertretung - deutschfreisinnig-liberal.
Hohn und Spott
In ihrer Gesinnung hatte diese Mehrheit in Stadt und Schule für
das österreichische Vaterland nur Spott, für den katholischen
Kaiser lediglich Missachtung übrig, hielt aber Anschlussreden für
Deutschland und schielte – und damit waren ihren Proponenten damals
auch die geistigen Ahnherren der Hochverräter in der braunen Illegalität
nach dem ersten Weltkrieg – über die Grenzen nach Norden. Die
sich offen als Katholiken bekennende Minderheit wurde als „klerikale
Schweine“ verachtet, als „schwarze Hunde“ verspottet
von jenen, die sich mit einer blauen Kornblume im Knopfloch als etwas
Besseres dünkten.
Da es sich eine kleine Minderheit von Schülern der oberen Klassen
des Bregenzer Gymnasiums ganz nach Art der Jugend dennoch nicht nehmen
ließ, ihre katholische Weltanschauung offen zu bekunden, waren Zwischenfälle
mit Mitschülern, Professoren und Schulleitung vorprogrammiert. Die
Repressalien reichten von Watschen über ungerechte Behandlungen –
vor allem bei Prüfungen – bis hin zum Karzer. Dies führte
jedoch dazu, dass die wenigen katholischen Pennäler instinktiv näher
zusammen rückten, und ihre jugendliche Begeisterung wurde desto mehr
gesteigert, je stärker die Angriffe seitens der deutschliberalen
Mitschüler und Professoren wurden.
Als diese immer ärger wurden und auch die Kämpfe der CV-Verbindungen
an Österreichs Hochschulen ihre blutig roten Schatten auf die Mittelschulen
warfen, entschlossen sich einige der katholischen Pennäler des Bregenzer
Gymnasiums, sich zu einer Studentenverbindung zusammen zu schließen,
um sich zur Wehr setzen zu können und in fester Geschlossenheit für
ihre katholische Weltanschauung einzutreten. Auch wenn dies eine massive
Übertretung der bestehenden Schulgesetze bedeutete, war es doch verboten,
eine Pennalie zu gründen oder ihr anzugehören. Doch Freundschaft
und Kameradschaft mit Gleichgesinnten ist ein Bedürfnis gesunder
Jugend, daran lässt sie sich selbst durch Verbote nicht behindern.
Aus diesem Bedürfnis heraus entstand also die Kustersberg. Sie hatte
keinen Gründer im eigentlichen Sinne, sondern die Lebensfreude und
die gleichen Ideale haben sie aus der Taufe gehoben. Grundlegend beigetragen
zum Entschluss einer Hand voll Jugendlicher, enger und organisierter zusammen
zu rücken, hat auch der Geist der im Gründungsjahr vom geistlichen
Konvikt Vincentinum in Brixen nach Bregenz zugezogenen Studenten. Für
sie, die ja nun in der Fremde weilten, war ein Zusammenschluss in der
Freizeit ein umso größeres Bedürfnis, wenn dadurch auch
ein Anschluss an Bregenzer Familien mit Studenten gefunden werden konnte.
Der Zusammenschluss der paar Bregenzer Gymnasiasten war anfangs zwar
ein sehr loser, doch ihr Ziel war, diesen nach der studentischen Organisationsform
einer katholischen österreichischen Hochschulverbindung auszubauen
– trotz, ein klein wenig auch wegen des damals an den Mittelschulen
bestehenden Verbotes solcher Verbindungen. Ihr Zusammenschluss, vorerst
ohne Band und Deckel, gab den Burschen das Gefühl von Stärke,
insbesondere gegenüber den deutschliberalen Mitschülern und
Professoren. Und es sollte nicht mehr lange dauern, bis dieser lose Zusammenschluss
mit einem dreifarbigen Band zu einer Verbindung geknüpft wurde.
Die Gründung
An einem schönen Herbsttag, am 21. September 1907, gaben sich diese
elf Burschen per Handschlag das Versprechen, „jedem wahrhaft Freund
und Bruder zu sein“: Konrad Fitz, Vinzenz Gisinger, Franz Josef
Hinteregger, Wilhelm Kiene, Hans Kohler, Franz Josef Minikus, Wilhelm
Mohr, Johann Mutter, Hermann Salzmann, Michael Schmid und Anton Sperger
hatten sich dazu auf der sonnen beschienenen Halde des Kustersbergs bei
Bregenz verabredet, einem wunderschönen Flecken Natur, auf dem man
nicht fürchten musste, von Unberufenen gehört oder gesehen zu
werden. Gegen die Sicht von der Straße herauf verdeckte die elf
Burschen eine große Eibe mit ihren dunkelgrünen Nadelästen,
aus denen die reife Frucht der roten Beeren leuchtete. Und dem unberufenen
Blick und Gehör von oben herab trotzte der fast senkrecht aufragende
blanke Fels des Gebhardsberges. Vom Ort dieser Gründungs-Zusammenkunft
erhielt die Verbindung ihren Namen, von der Eibe mit ihrer Frucht rühren
ihre Farben schwarz-rot-grün her, und das Gestein des Gebhardsberges
inspirierte zum Wahlspruch „Fest wie die Felsen“. Vinzenz
Gisinger wurde zum ersten Senior bestellt.
Nach nicht all zu langer Zeit wurde von den deutsch-liberalen Mitschülern
der jungen Kustersberger deren Zusammenschluss in einer neuen Verbindung
bekannt. Die Folge war eine Auseinandersetzung anlässlich einer Klassenkneipe,
bei der es zu einer handfesten Rauferei kam und die das Ende der bis dahin
üblichen Klassenkneipen markierte. Im Gegenzug dazu knüpfte
die Kustersberg mit der gleich gesinnten Verbindung Siegberg an der Realschule
Dornbirn enge Bande, die im Verlauf der kommenden hundert Jahre nicht
nur halten sondern sich auch verstärken sollten. Die geheimen Kneipen
fanden damals im Gasthaus Rose in der Bregenzer Kirchstraße statt.
Die folgende Zeit war durch das stetige Bemühen gekennzeichnet,
die junge Verbindung zu festigen und ihre Mitgliederzahl zu vergrößern.
Was auch eindrucksvoll gelang. Schon im Wintersemester 1908/09 zählte
die Kustersberg trotz des Abgangs von drei Maturanten aus dem Gründungsjahr
bereits 18 Mitglieder: zehn Burschen und acht Füchse. Der Verbindungsbetrieb
war froh und lebendig, am 2. November 1908 wurden Kustersberg und Siegberg
in den Verband katholischer Mittelschulverbindungen Österreichs aufgenommen,
die Kneipen fanden weiterhin im Geheimen in Hinterzimmern von Gasthäusern
statt – in der Bregenzer Rose oder in umliegenden Gemeinden wie
Rieden, Kennelbach oder Haselstauden (gemeinsam mit der Siegberg), jedenfalls
dort, wohin sich keiner der Professoren verirren sollte – und weitere
Zusammenkünfte wurden in Privatwohnungen abgehalten.
Auch die kommenden Jahre waren im Vergleich zur Gründungszeit, als
Kustersberg im Kampf für ihre katholische Gesinnung gegründet
worden war, beschauliche und ruhige und ließen den Mitgliederstand
allmählich größer werden. Dies nicht zuletzt deshalb,
weil sich auch das Umfeld der nunmehr etablierten jungen Verbindung veränderte:
Das Bregenzer Gymnasium erhielt überraschend einen Direktor mit streng
katholischer Einstellung, ihm folgen zahlreiche neue Professoren mit gleicher
Geisteshaltung und Weltanschauung und alsbald durfte sich Kustersberg
über eine zunehmende Zahl von Gönnern und Förderern aus
den Reihen des Lehrkörpers freuen. Schnell spielte neben den offiziellen
Verbindungsveranstaltungen auch der Privatbetrieb eine immer wichtigere
Rolle, man traf sich zum Jassen, zum Rudern und zu anderen Sportveranstaltungen
und freilich auch zum Tanzkurs mit den liebreizenden Bregenzer Mädchen.
Der 1. Weltkrieg
Doch die Harmonie währte nicht lange genug. In den Sommerferien
1914 war das alte Gebälk der Habsburger Monarchie, jenes Vaterlandes,
auf das die Kustersberger geschworen hatten, derart morsch geworden, dass
es brach. Der Erste Weltkrieg brach aus. Im darauf folgenden Wintersemester
wurden bereits 14 Kustersberger zum Militärdienst eingezogen. Einige
Dutzend sollten noch folgen, auch freiwillig, sollten noch hinaus auf
die Schlachtfelder Europas, die allesamt durchzogen waren von blutgetränkten
Schützengräben, aufgebrochen von verkrüppelnden Granatsplittern,
durchlöchert von Albträumen bringenden Gewehrsalven und zugedeckt
von tödlichem Giftgas. Zerschunden, vergewaltigt, verstümmelt
und tot lagen sie da, Hunderttausende junge Helden, die es zuvor nicht
hatten erwarten können, für Kaiser und Vaterland in die Schlacht
zu ziehen. Stolz waren sie. Und manchmal auch Narren, doch noch vielmehr
wurden sie genarrt, wie man heute weiß. Sie zogen in den Krieg mit
völlig falschen Vorstellungen, denn man hatte ihnen falsche Versprechen
gemacht. So jung sie waren, solch Helden wollten sie werden.
53 Kustersberger zogen schließlich in den Krieg, 20 dienten als
Offiziere, neun sollten nie wieder zurückkehren. Der Militärdienst
dezimierte die Zahl der Aktiven dramatisch, schon im Jänner 1915
musste die Verbindung kurzzeitig sistieren. Im folgenden Wintersemester
kam es erneut zu einer kurzen Sistierung, konkreter Anlass dafür
war eine Anzeige durch den Vorklöstner Turnverein, der bereits den
Eröffnungskommers im Gasthof Lamm zu stören versucht hatte.
Diese Anzeige brachte 24 Kustersbergern je acht Stunden Karzer ein, wegen
Teilnahme an einer geheimen Verbindung und verbotenen Gasthausbesuches.
Der Senior, der die schwierige Aufgabe hatte, die Verbindung durch diese
harten Zeiten zu führen, war Alois Hotz. Zwar wurde der Verbindungsbetrieb
im Sommersemester 1916 wieder aufgenommen, doch war die Mitgliederzahl
aufgrund der vielen Kustersberger, die bereits im Krieg waren, auf nur
noch neun gesunken, so dass im März 1916 der Burschenconvent den
Beschluss fasste, die Kustersberg bis zum damals noch nicht absehbaren
Ende des Weltkrieges zu sistieren.
So weit kam es jedoch nicht, denn schon am 29. Dezember 1916 wurde der
Verbindungsbetrieb wieder aufgenommen. Allerdings unter Ausschluss des
Couleurs, das nur bei feierlichen Anlässen getragen werden sollte.
In der nun folgenden Zeit fand die Verbindung ein Zuhause bei der Familie
Fischer im Gasthof Lamm in Wolfurt, wo zahlreiche Kneipen stattfanden,
die durch die Teilnahme vieler Fronturlauber ein beinahe militärisches
Gepräge erhielten. Ein Spross dieses Hauses, der wie Alois Hotz und
viele andere die Geschicke der Kustersberg über Jahrzehnte hinweg
mitlenken sollte, war August Fischer.
Zwischen den Kriegen
Mit dem Ende des Krieges endete auch das Korporationsverbot an den Mittelschulen,
die nun gewährte Koalitionsfreiheit bescherte der Kustersberg regen
Zustrom an Mitgliedern. Was wiederum seinen Preis hatte. Die Verbindung
wurde zwangsläufig repräsentativ und verlegte ihr Augenmerk
stark nach Außen, nach Innen hingegen litt sie geistig und seelisch.
Die Quantität ging nicht einher mit der Qualität, „mehr
nach Innen streben“ wurde daraufhin das Motto der Verbindung und
erst im Sommer 1922 konnte die Einheit Kustersbergs und ein ausgeglichenes
Innen und Außen wieder hergestellt werden.
Auf der Basis dieses neu gestärkten Zusammengehörigkeitsgefühls
entfaltete die Kustersberg nun auch erstmals karitative Aktivitäten.
Im Sinne einer gelebten Nächstenliebe bestellten Verbindungsmitglieder
die Felder armer und hilfsbedürftiger Mitmenschen und sammelten Brennholz
und belieferten damit Bedürftige.
In den Jahren ab 1922 blühte die Verbindung mit dem gesamten Staat
Österreich unter den neuen wirtschaftlichen Verhältnissen und
der gewonnenen demokratischen Freiheit wieder auf. Vorbei und vergessen
erschienen die Zeiten bitterster Not. Das Verbindungsleben mit zeitweise
bis zu 70 Mitgliedern war geprägt von glanzvollen Kommersen, fröhlichen
Kneipen und einer Vielzahl wissenschaftlicher Abende. Bald erklangen die
Schläger auf dem Gebhardsberg, bald wanderte man nach Rieden zum
Gasthof Bauer, oftmals feierte man im Bregenzer Tötsch, gelegentlich
im Maurachbund und im Zoll an der Achbrücke.
Das Jahr 1933 brachte wieder ein neues Österreich. Die Kustersberg
adaptierte nun zum dritten Mal ihr Prinzip patria – zuerst galt
der Schwur der Habsburgmonarchie, danach der Ersten Republik und nun dem
Ständestaat unter Kanzler Dollfuß – und ließ ihre
Mitglieder ein entschiedenes Bekenntnis zu diesem neuen Österreich
ablegen. Die Verbindung war auch von Anfang an in der vom Landesschulrat
geschaffenen vaterländischen Jugendbewegung federführend tätig.
Die Mitwirkung beim Österreichischen Jungsturm, wie die in Vorarlberg
einheitlich errichtete vaterländische Jugendorganisation genannt
wurde, forderte der Kustersberg große Opfer ab. Und es stellte sich
die Frage, ob angesichts der neuen Verhältnisse eine katholische
Mittelschulverbindung nicht völlig überflüssig geworden
sei, war es nun doch die Aufgabe der vaterländischen Jugendorganisation,
die Jugend in sittlich-religiösem und vaterländischem Sinne
zu erziehen. Sie war freilich nicht überflüssig geworden.
Mit dem neuen staatlichen Jugendgesetz wurde Kustersberg – wie
alle anderen Vereine mit Jugendlichen unter 18 Jahren – aber schon
1935 vor die Wahl gestellt, für ihr weiteres Bestehen entweder beim
Unterrichtsministerium um Erlaubnis zu betteln oder sich in die Konkordatsjugend
einzugliedern. Letzteres wurde der Einfachheit halber unternommen.
Zwar konnte im Herbst 1937 das 30. Stiftungsfest noch glanzvoll begangen
werden, doch es zogen bereits dunkle Schatten herauf. Zum einen fanden
kaum noch Abendveranstaltungen wie etwa wissenschaftliche Vorträge
statt, da die Abende nun dem Jungvolk, wie die vaterländische Jugendorganisation
mittlerweile hieß, gehörten. Der Budenbetrieb, damals direkt
im Gymnasium, hatte schon bessere Zeiten erlebt. Und mehr noch bereiteten
die Geschehnisse jenseits der nördlichen Grenze ernsthafte Sorgen.
Senior war damals Fritz Heim.
Auf Rat der Altherrenschaft wurde am Burschenconvent vom 11. März
1938 schließlich der Beschluss gefasst, die Verbindung zu sistieren.
Zuvor war noch ein Handlanger der Nazis ausgeschlossen worden –
der einzige, der sich in der Verbindung befunden hatte. Und auch während
des Krieges wechselte kein Kustersberger die ideologische Seite.
Der Nationalsozialismus
Als am 13. März 1938 schließlich das Bregenzer Kopfsteinpflaster
unter den braunen Tritten der Deutschen Wehrmacht erzitterte, gab es die
Verbindung, die keine Existenzchance mehr gehabt hätte, bereits nicht
mehr und alles Budeninventar und Vereinseigentum war noch tags zuvor bei
etlichen Bundesbrüdern quer durch Vorarlberg versteckt worden. Manches
besser, manches schlechter, wie sich später herausstellen sollte,
etliche Utensilien und so mache Archivstücke gingen in den Wirren
des Krieges und der anschließenden Besatzungszeit verloren.
Zwar versuchten die Bundesbrüder, zumindest so etwas wie ein geheimes
Verbindungsleben auf Sparflamme in Neben- und Hinterzimmern einiger Bregenzer
Gasthäuser aufrecht zu erhalten, doch die steigenden Zahlen der zur
Wehrmacht einberufenen Kustersberger machte diesem gefährlichen Ansinnen
alsbald ein Ende. Wie viele Kustersberger in den Zweiten Weltkrieg ziehen
mussten, ließ sich in den Folgejahren nicht mehr eruieren. Zwölf
jedoch, das sollte bald zur traurigen Gewissheit werden, zwölf ließen
dort ihr Leben, sechs wurden als vermisst gemeldet und vier sollten infolge
eines Kriegsleidens viel zu früh sterben. Wenngleich beinahe alle,
die teilgenommen hatten, in den beiden so kurz aufeinander folgenden Kriegen
irgendwie gestorben sind. Im ersten ertrank die Sehnsucht nach Heldentum,
Tapferkeit und Mannesmut in den Lügen der Mächtigen und im knietiefen
Blutbad in den scheinbar gottverlassenen Schützengräben. Und
im zweiten erstickte die verbliebene soldatische Selbstachtung an der
Bestialität der begangenen Verbrechen, verbrannte der Glaube an die
Menschheit in den Krematorien der Konzentrationslager und wurde die Hoffnung
auf Nächstenliebe und Humanismus mit auf den Soldatenfriedhöfen
begraben. Viele starben. Die einen im Krieg, die anderen am Krieg. Danach
begann für den traumatisierten Rest der Wiederaufbau. Auch die Kustersberg
musste reanimiert werden.
Seele dieser Bestrebung war Wilhelm Kiene, dessen Sohn Elmar damals gerade
die fünfte Klasse des Bundesgymnasiums Bregenz absolvierte und einen
Kreis von sechs Mitschülern um sich geschart hatte, die bereit waren,
der Kustersberg beizutreten. Am 8. Juli 1948 fand im Hotel Krone in Bregenz
der erste Altherrenconvent nach dem Zweiten Weltkrieg statt, auf dem einstimmig
die Reaktivierung der Verbindung beschlossen wurde. Alter Herr Ferdinand
Seifert wurde zum Philistersenior gewählt. Die anschließende
Eröffnungskneipe, die etwa 60 Philister versammelte, nahm einen stimmungs-
und hoffnungsvollen Verlauf.
Nach dem Krieg – der Neubeginn
Am 21. September 1948 fand im Grauen Bären in Bregenz der erste
Burschenconvent statt, bei dem der Philistersenior bekannt gab, dass die
Sicherheitsdirektion die Reaktivierung nicht untersagt hätte. Das
hieß: Kustersberg musste nicht neu gegründet werden, sondern
konnte dort weiter machen, wo sie 1938 hatte aufhören müssen.
Zum Senior wurde Gebhard Herbert gewählt. Die Verbindung hatte nun
die Begeisterung von sieben jungen Studenten und die unermüdliche
Treue einer Reihe von Alter Herren, doch es fehlte sonst an allem. Mühsam
musste das 1938 in alle Winde zerstreute Verbindungsinventar zusammengesucht
werden. Statuten, Geschäftsordnung, Comment und Schläger wurden
von den Schwesterverbindungen Siegberg und Clunia ausgeborgt, Band und
Deckel stellten Alte Herren den Jungen zur Verfügung. Bald wurde
auch eine Bude im Gasthaus Tötsch in Bregenz gefunden und die wenigen
Jungen sparten sich während dieser allgemein harten Zeiten nach dem
Krieg Geld und Lebensmittelmarken ab, um allen Anwesenden am Weihnachtskommers
eine warme Mahlzeit anbieten zu können.
Zwar wechselten sich alsbald Burschen- und Fuchsenkonvente, wissenschaftliche
Abende, sportliche Veranstaltungen, Faschingskränzchen, Budenhocks
und Landestreffen der Vorarlberger Mittelschulverbindungen fast wieder
so wie in früheren Jahren ab, doch war der eingehauchte Lebensodem
zu schwach gewesen, um die Verbindung nach den Entbehrungen und Verlusten
während des Krieges wieder restlos und mit Fortbestand ins Leben
zu holen. 1951 bestand die Aktivitas der Kustersberg nur noch aus sieben
Mitgliedern, die allesamt vor der Matura standen. So wurde der Verbindungsbetrieb
Ende des Schuljahres 1950/51 einmal mehr eingestellt.
Doch an Ostern 1957 gab Alter Herr Andreas Schnitzer folgendes Manifest
an alle seine Bundesbrüder heraus: „Mit dem Erwachen und dem
Auferstehungsgedanken in der Natur soll unsere Kustersberg Bregenz wieder
Urständ feiern. Bekanntlich begeht unsere Kustersberg im nächsten
Semester das goldene Bestandsjubiläum. Schüttle daher Staub
von Mütze und Band der Jugend zuliebe und komme zur 1. Sitzung der
Alten Herren am Donnerstag, den 4. April 1957, 20 Uhr, traditionsgemäß
in den Gasthof Tötsch.“
Und sie kamen alle, die die Kustersberg dann endlich wieder zum Leben
erweckten: Josef Marte, Anton Methlagl, Willi Reichart, Franz Lässer,
Wolfgang Rusch, Josef Maria Greißing, Artur Schwarz, Ferdinand Seifert,
Andreas Schnitzer, Hans Ach, Oswald Madlener, Hans Wagner, Willi Mohr
jun., Ernst Künz, Luitpold Weh, Fritz Guth, Arthur Hagen, Alois Hotz,
Wilhelm Kiene, Ludwig Welte, Alfons Simma und Gebhard Sinz. Neben diesen
Alten Herren waren auch bereits wieder zwei Hände voll junger Studenten
am Gymnasium gefunden worden. Schon zum traditionellen Treffen am 1. Mai
kam die Altherrenschaft auf dem Gebhardsberg zusammen, nach dem ersten
Konvent war Andreas Schnitzer neuer Philistersenior. Bereits am 22. Mai
1957 stieg die erste Festkneipe. Kustersberg lebte und ihr Senior war
Wolfgang Simma.
Um nicht noch einmal mangels Aktiven sistieren zu müssen, versuchte
die Kustersberg ihren Keilboden in Bregenz auszuweiten. Man schielte dabei
Richtung Höhere Technische Lehranstalt HTL – aus Tradition
Gewerbeschule genannt – und Handelsakademie HAK. Doch da wirkte
damals genauso wie am Gymnasium ein gar eigensinniger Studentendünkel.
Die Gymnasiasten ritten ihr hohes Ross der humanistischen Bildung, die
Handelsakademiker sonnten sich im Bewusstsein ihrer Lebensnähe und
wurden darin freilich von den Gewerbeschülern bestärkt, die
ihrerseits das Herunterschauen der jeweils anderen mit dem Hinweis übertrumpften,
dass sie als einzige nicht nur eine Matura, sondern oben drauf auch noch
gleich den Titel Ingenieur erwürben. Wie also solch Gegensätze
zusammen bringen?
Gründung der Wellenstein
Einige Alte Herren der Kustersberg wussten hier guten Rat für die
Jungen, und Wolfgang Rusch, Siegfried Gasser und einige ihrer Consemester
gingen gleich nach dem 50. Stiftungsfest daran, den katholischen Studenten
jenseits des Gymnasiums eine Alternative zu bieten: Sie gründeten
die Wellenstein, Kustersbergs Tochterverbindung.
Die kommenden Jahre unter Philistersenior Hans Wagner gestalteten sich
wie der Wiederaufbau im ganzen Land zwar zäh, aber dennoch erfolgreich.
Die Zahl der Aktiven und damit verbunden auch der Philister stieg permanent
an, das Verbindungsleben florierte und schon 1967 konnte mit großem
Erfolg das diamantene Stiftungsfest gefeiert werden. Doch wenn auch die
68-er Bewegung in Österreich, und so auch in Bregenz, im Gegensatz
zu Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder anderen europäischen
Staaten keine ganz so umwälzende Rolle spielte, so reichte ihr ideologischer
Einfluss auf die Jugend dennoch aus, um die Kustersberg in den 1970-er
Jahren in eine ernsthafte Krise zu stürzen. Der zeitgeistige Wind
von außen wehte den sich dagegen auflehnenden Bundesbrüdern
verdammt eisig ins Gesicht. Doch die Treue zueinander und zu den Prinzipien
ließ die Verbindung auch diese Durststrecke überstehen –
und sie sollte bis heute nicht die einzige bleiben.
Die Übergabe des Seniorats von Helmut Elsässer an Gerd Rainer
im Herbst 1980 markierte eine Zäsur für die Verbindung, die
kaum zu überbrücken schien und wäre nicht derart große
Unterstützung seitens der Altherrenschaft gewährt worden –
Hans und Benno Wagner, Alois Hotz, August Fischer und Ottokar Röhrig,
um nur einige wenige zu nennen – hätte die Kustersberg wohl
wieder einmal sistieren müssen. Denn bei der Übergabe der Chargenämter
wurde die vorige Aktivitas aufgrund ihres Alters inaktiviert, es vollzog
sich ein völliger Generationenwechsel.
Senior Gerd Rainer und seine Chargen schlugen die ersten Kneipen meist
nicht mit Kustersbergern, sondern vielmehr mit guten Freunden und Bekannten,
von denen sich dann doch der eine und andere rezipieren ließ. Doch
nach eineinhalb Semestern umfasste die Verbindung abgesehen vom aktiven
Chargenkabinett lediglich zwei weitere Aktive, zudem wurde der schulische
Druck auf das Chargenkabinett ein immer größerer. Kustersberg
stand knapp vor dem Zusperren, doch gelang es den Alten Herren, die Chargen
für zumindest ein weiteres Semester zu gewinnen – es sollte
nicht bei diesem bleiben und der Same der Anstrengungen, gepflanzt auch
von Benno Wagner, der der Verbindung in diesen schwierigen Zeiten zehn
Jahre lang als Philistersenior vorstehen sollte, begann zu keimen und
trug alsbald üppige Früchte. Nach einem glanzvollen 75. Stiftungsfest
und sechs ununterbrochenen Chargensemestern übergab Rainer seinem
Nachfolger Stefan Meusburger eine Aktivitas von 30 Fuchsen und Burschen.
Auf und ab
Auch auf Landesebene wurde die Verbindung wieder aktiv: Nach Gebhard
Troll als Kustersbergs erstem Alten Herren als Landesverbands-Vorsitzendem
trat mit Johannes Gasser der erste Kustersberger Aktive der Nachkriegszeit
das Amt des Landesseniors an. Es waren dies, an den Mitgliedern gerechnet,
die bisher glanzvollsten Zeiten der Kustersberg während der Zweiten
Republik. Es waren die aktiven Zeiten von Consemestern wie beispielsweise
den Brüdern Michael, Stefan und Christian Gehrer, den Brüdern
Markus und Johannes Gasser, Oliver Henhapel sowie Ewald Giesinger, Reinhard
Kaindl und Armin Immler, die nun als Alte Herren die Geschicke der Kustersberg
in den vergangenen Semestern dankenswerterweise mitgelenkt haben und noch
immer mitlenken, und vieler anderer Bundesbrüder. Bis knapp in die
1990-er Jahre hinein hielt dieser Erfolg an.
Die vergangenen etwa 20 Jahre wiederum waren von einem stetigen Auf und
Ab geprägt. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Kustersberg immer
wieder um eine neue Heimstatt bitten musste, jahrelang auf der Suche nach
einer geeigneten Bude war. Wie die Vergangenheit immer wieder gezeigt
hat, ging es der Verbindung just dann am besten, wenn sie eine Bude hatte
– auch wenn diese lediglich ein fixes Hinterzimmer in einer Gastwirtschaft
war. Über 15 Jahre hinweg stand Manfred Troll der Verbindung in diesen
Jahren als Philistersenior vor. Seit 2006 ist Mag. Dr. Rudolf Öller Philistersenior der KMV Kustersberg.
So verzeichneten die Annalen der Kustersberg denn auch wieder einen leichten
aber stetigen Aufwärtstrend, seitdem die Verbindung im Jahr 2002
ihre alten Bude in der Thalbachgasse 7 in Bregenz bezogen hatte. Nur
wenig später, bereits im September 2005 ging die traditionsreiche
Verbindung mit Unterstützung des nunmehrigen Philisterseniors Rudolf
Öller mit einer eigenen, inzwischen gut besuchten Homepage online.
Und genau zwei Jahre später, feierte die Kustersberg mit Philistersenior
Rudolf Öller und Senior Pascal Kloser ihr 100-jähriges Stiftungsfest.
Es war also nicht nur ein schöner, es war auch ein folgenreicher
Herbsttag, jener 21. September 1907, an dem sich diese elf Burschen per
Handschlag das Versprechen gaben, „jedem wahrhaft Freund und Bruder
zu sein“.
© 2007 KMV Kustersberg, Andreas Feiertag v/o Kleiner

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